Neurologische Untersuchung

Der neurologische Untersuchungsgang wird an die allgemeine klinische Untersuchung angeschlossen, wenn sich im Vorbericht oder bei der Erstuntersuchung des Tieres Hinweise für Störungen im Nervensystem ergeben haben. Mithilfe dieser speziellen Untersuchung versucht der Tierarzt die Lokalisation für das Problem im Gehirn, Rückenmark oder in den davon wegziehenden Nerven zu finden. Schon die Rasse, das Alter und auch der Vorbericht, z. B. wie schnell das Symptom aufgetreten ist, liefern wichtige Hinweise, um welches Krankheitsbild es sich handeln könnte.

Was wird untersucht?

Die wichtigsten Punkte bei der neurologischen Untersuchung sind:

Allgemeinverhalten des Tieres

Hier wird darauf geachtet, wie sich das Tier in gewohnter (Zuhause) und in ungewohnter (beim Tierarzt) Umgebung verhält. Abnormales Verhalten kann sich beim Tier z. B. in Desorientierung, Ängstlichkeit oder Aggressivität äußern.

Körperhaltung, Kopfhaltung und Gang

Der Tierarzt achtet auf die Kopfhaltung und Rückenlinie des Tieres. Bei der Beurteilung des Ganges wird das Tier in verschiedenen Gangarten dem Tierarzt vorgeführt. Unkoordinierte Bewegungen (Ataxien), komplette oder unvollständige Lähmungen einzelner Muskelgruppen oder Lahmheiten aufgrund von Schmerzen können hier als krankhaft veränderte Gangformen auftreten.

Kopfnerven

Als Kopfnerven werden jene Nerven bezeichnet, die im Hirn entspringen. Der Seh- und der Riechnerv, sowie jener für den Geschmackssinn sind Beispiele für Hirnnerven. Insgesamt sind es zwölf an der Zahl. Durch spezielle Tests überprüft der Tierarzt die Funktion der einzelnen Nerven, denen jeweils eine besondere Funktion im Körper zugeschrieben wird. Über die Reaktion der Pupillen auf Licht wird unter anderem der Sehnerv geprüft.

Halte- und Stellreaktionen

Normale Halte- und Stellreaktionen ermöglichen dem Tier in korrekter Position zu verharren und die Bewegungsabläufe zu koordinieren. Dazu ist ein genauestens abgestimmtes Zusammenspiel von Gehirn, Rückenmark, Nerven und Gleichgewichtsorgan unentbehrlich.

Mit den Halte- und Stellreaktionen wird überprüft, ob die Information über die Position der vier Gliedmaßen (Propriozeption) unbeschädigt ist. Dazu muss das Tier z. B. auf einem Bein hüpfen, während die anderen drei vom Tierarzt in der Luft gehalten werden.

Spinale Reflexe

Durch den Schlag mit einem Reflexhammer auf die Sehne, die einen Muskelbauch mit dem Knochen verbindet, kommt es durch die Weiterleitung von Nervenimpulsen zu einem Anspannen des Muskels. Die spinalen Reflexe sind jene Reflexe, die im Rückenmark umgeschaltet werden. Ein Reflex ist an sich eine unbewusste Antwort des Körpers auf einen auslösenden Reiz. Bei gesteigerten oder abgeschwächten Reflexantworten kann der Tierarzt die geschädigte Region im Bereich des Nervensystems weiter eingrenzen.

Schmerzempfindung

Schmerz hat für das Befinden des Tieres eine elementare Bedeutung und eine schützende Funktion als Frühwarnsystem zur Vermeidung von Schäden. Wie schmerzhaft ein Reiz für ein Tier ist, kann nicht beurteilt werden, da dies eine subjektive Empfindung ist. Einzig die Wehrhaftigkeit des Tieres auf einen schmerzhaften Stimulus wird evaluiert.

Weiterführende neurologische Untersuchungen

Nach der neurologischen Untersuchung und Eingrenzung der verschiedenen Diagnosemöglichkeiten werden bei Bedarf weitere Untersuchungen angeschlossen. Das sind vordergründig Blut- und Hirnflüssigkeitsuntersuchungen, bildgebende Verfahren oder die Überprüfung der Leitungsfähigkeiten von nervalen Impulsen über die Elektrodiagnostik (z. B. EEG). Manchmal wird eine Biopsie zur eindeutigen Diagnosestellung benötigt und bei einer nicht zu unterschätzenden Anzahl der Fälle ist erst die pathologische Untersuchung des Tierkörpers aufklärend.

Mithilfe der neurologischen und der weiterführenden speziellen Untersuchungen stellt der Tierarzt im Idealfall die Diagnose, die dann zu einer Therapieempfehlung und Prognosestellung führt.

© AniCura, Mag. Katharina Weber

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