Mögliche Begleit-Symptome einer Harninkontinenz
1. Minderung der Vigilanz
Mit Vigilanz bezeichnet man in der Medizin die Wachheit oder Aufmerksamkeit eines Patienten. Für einen kontrollierten Urinabsatz muß der entsprechende Wille vorhanden sein. Dieser fehlt beispielsweise während des Nachschlafs nach einer Narkose, und da weiß man, dass neben vorübergehenden pflegerischen Maßnahmen kein weiterer Handlungsbedarf besteht. Dieser fehlt beispielsweise auch bei Welpen, und da weiß man, dass sich Stubenreinheit für gewöhnlich mit der Zeit entwickelt. Dieser fehlt aber auch beispielsweise bei älteren Patienten, deren geistige und körperliche Kräfte sich abbauen. Insbesondere kann bei einer Altersdemenz die Vigilanz reduziert sein und zu unkontrolliertem Urinabgang führen. Gemäß einer alten urologischen Weisheit beginnt Kontinenz nämlich im Kopf.
2. Polydipsie
Mit Polydipsie bezeichnet man in der Medizin ein abnormal vermehrtes Trinken. Die Harnblase hat eine begrenzte Aufnahmekapazität für Urin. Wenn der Körper aufgrund einer erhöhten Wasseraufnahme so viel Urin produziert, dass die Speicherkapazität der Harnblase überschritten wird, kann hieraus ein Kontrollverlust des Urinabsatzes resultieren. Hiervon sind in erster Linie ältere Patienten betroffen, bei denen auch die Funktion des Blasenschließmuskels nachläßt.
3. Dysurie
Mit Dysurie bezeichnet man sichtbare Beschwerden beim Harnabsatz. Diese können sich äußern in Form von häufigem Absetzen kleiner Urinmengen (Pollakisurie), in einem Harnzwang (Strangurie) oder in vermehrtem nächtlichen Urinabsatz (Nykturie). Derartige Beschwerden können mit einem Kontrollverlust des Urinabsatzes einhergehen.
4. Neuropathie
Mit einer Neuropathie bezeichnet man in der Medizin Erkrankungen des Nervensystems. Dabei stehen Erkrankungen der Wirbelsäule im Vordergrund, die zu Störungen von Rückenmarksnerven oder des Rückenmarks selbst führen und in Ausfällen oder Störungen der Muskulatur und der Blasenfunktion resultieren können. Patienten mit nervalen Ausfällen werden primär vom Neurologen behandelt. Bei anhaltenden Blasenfunktionsstörungen wird der Urologe hinzugezogen.
Diagnostik
Zur Abklärung einer Harninkontinenz liefert die klinische Untersuchung bereits erste Hinweise darauf, in welche Richtung die weitere Diagnostik erfolgen sollte. In den meisten Fällen sind eine orientierende Urin- und Blutanalyse anzuraten. Die Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes liefert wichtige Hinweise über Lage und Größe der Harnorgane. In speziellen Fällen kann der Urologe eine Spiegelung der Harnorgane vornehmen, um eine endgültige Abklärung herbeizuführen.
Therapie
Die Behandlung einer Inkontinenz kann so unterschiedlich ausfallen wie deren Ursache. Dabei hängt der Umfang einer Behandlung von der Lebensqualität des Patienten, dem Leidensdruck des Tierbesitzers, den mögliche Risiken und Nebenwirkungen und den Behandlungskosten ab. Diese Kriterien sollten initial besprochen werden, da sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensumstände nicht jeder Tierbesitzer für dieselbe Therapie entscheidet.
Am Anfang steht eine medikamentelle Behandlung mit Ausrichtung auf den Harntrakt. Wenn die medikamentelle Behandlung versagt oder keine Aussicht auf ausreichenden Erfolg verspricht, können chirurgische Maßnahmen sinnvoll sein. Hierzu gehören im einzelnen
- Operative Behandlung angeborener Harnleiterfehlmündungen
- Anheftung der Harnblase an die Bauchdecke bei Senkblase
- Dehnung der Harnblase bei chronischer Blasenüberaktivität oder Schrumpfblase
- Aufpolsterung des Blasenschließmuskels bei Schließmuskelschwäche
- Entfernung von Tumoren im Bereich der Harnorgane
- Entfernung von Scheidenspangen mittels Laserbehandlung
- Einpflanzen eines Blasenschließmuskel-Implantats
- Einpflanzen eines Inkontinenz-Bandes um die Harnröhre
- Operative Korrektur von Wirbelsäulenerkrankungen
Prognose
Die Prognose hängt vom Schweregrad der Inkontinenz und von der Auswahl eines geeigneten Behandlungsverfahrens ab. Hierzu kann eine ausführliche Beratung in der urologischen Sprechstunde erfolgen. In vielen Fällen kann kurz- oder mittelfristig eine gute Lebensqualität wiederhergestellt werden.
© Dr. Dr. Peter Pantke, Chefarzt Urologie, AniCura Ahlen, Oktober 2016